Dieses leidige Thema & Argument mit dem Investor...
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VfL-Bochum-Geschäftsführer Kaenzig: „Ich sehe 50+1 nicht als K.-o.-Kriterium“
Der VfL Bochum ist nach elf Jahren Zweitklassigkeit zurück in der Bundesliga. Im Interview mit SPONSORs erklärt Ilja Kaenzig, wie sich die Bochumer langfristig im Fußball-Oberhaus etablieren wollen und welcher Umsatz dafür nötig ist. Auch zum heißdiskutierten Thema Investoren im Profifußball hat der Sprecher der VfL-Geschäftsführung eine klare Meinung.
SPONSORs: Herr Kaenzig, nach elf Jahren Zweitklassigkeit hat der VfL Bochum die Rückkehr in die Bundesliga geschafft. Was bedeutet der Aufstieg für die Weiterentwicklung Ihres Clubs?
Kaenzig: Das ist ein echter Schlüsselmoment in der jüngsten Geschichte des VfL Bochum, weil der Aufstieg die wirkliche Entfaltung des Potenzials des Clubs ermöglicht. Ich bin überzeugt davon, dass die viele schlummernden Werte erst in der Bundesliga realisiert werden können.
SPONSORs: Was macht Sie so zuversichtlich?
Kaenzig: Unter anderem erfolgreiche Beispiele wie Leeds United aus England. Der Club hat vor dem Premier-League-Aufstieg in der Saison 2019/20 insgesamt 16 Jahre in der zweitklassigen Championship verbracht. Inzwischen fühlt es sich so an, als wäre Leeds nie weg gewesen, und die Zahlen gehen nach oben. Ich habe das Gefühl, dass Bochum – im übertragenen Sinn – eine ähnliche Entwicklung nehmen könnte, obwohl die beiden Vereine natürlich nicht vergleichbar sind.
SPONSORs: Was gibt Ihnen Hoffnung?
Kaenzig: Der VfL Bochum hat deutschlandweit 13 Millionen Sympathisanten. Dieses Potenzial gilt es jetzt für uns zu heben. Unser Ziel ist, den Klassenerhalt zu schaffen und uns perspektivisch langfristig in der Liga zu etablieren. Dieses Ziel darf der VfL Bochum kraft seiner Historie so formulieren, ohne überheblich zu sein. Aber es wird sehr, sehr schwer!
SPONSORs: Sie haben kürzlich vorgerechnet, dass ein gewonnener Punkt einen Aufsteiger in den vergangenen Jahren im Durchschnitt 980 000 Euro gekostet hat. Mit welchem Budget planen Sie die Saison?
Kaenzig: Wir haben letztes Jahr mit einem Mittelfeld-Etat von zwölf Millionen Euro den Aufstieg geschafft. In der Bundesliga wird sich dieser bestenfalls verdoppeln.
Wir bleiben also weit unter den 35 Millionen Euro, die in den vergangenen Jahren im Durchschnitt für einen Aufsteiger zum Klassenerhalt erforderlich gewesen wären, wenn man den Zehnjahresschnitt von 35 Punkten für den Liga-Erhalt ansetzt.
SPONSORs: Braucht es ein Wunder?
Kaenzig: Wir wissen schon lange, dass wir überperformen müssen, um die Klasse zu halten. Das macht uns aber keine Angst. Es liegt vielmehr in der DNA des VfL Bochum – „aus wenig viel machen“, das gilt hier seit Jahrzehnten. Wir müssen auf und neben dem Platz sehr effektiv und effizient arbeiten, um schnellstmöglich den Rückstand aufzuholen, den wir uns in den vergangenen elf Jahren eingehandelt haben. Das ist unsere Mission.
SPONSORs: Auf der Jahreshauptversammlung 2018 wurde – bezogen auf den Gesamtumsatz – die „Vision 35+“ ausgegeben. Dieses Ziel wurde inzwischen erreicht. Wie sieht Ihr nächstes Ziel aus?
Kaenzig: Vor Corona war unsere Perspektive, dass in der 2. Bundesliga ein Umsatz von 45 Millionen Euro möglich ist. Das ist eine Größe, die ein Mitspielen um den Aufstieg in die Bundesliga wahrscheinlicher macht.
Perspektivisch muss man in der Bundesliga die Umsatzmarke von 100 Millionen Euro knacken, um sich dort zu etablieren. Dies haben der SC Freiburg, der 1. FSV Mainz 05 und der FC Augsburg geschafft. Für den VfL Bochum müsste es somit eine Vision sein. Nach elf Jahren zweite Liga klingt dies für viele aber erst mal wie eine Fantasie. Und kurzfristig steht sowieso der Klassenerhalt über allem.
SPONSORs: In welchen Bereichen besteht das größte Wachstumspotenzial?
Kaenzig: Wir haben diverse Umsatztreiber für uns identifiziert: von Merchandising über Ticketing bis hin zu eSport und Internationalisierung. Einige Projekte haben wir bereits aus eigener Kraft anschieben können, andere brauchen eine externe Anschubfinanzierung. Wir treiben alle Themen sehr fokussiert voran. Nicht zuletzt deswegen konnten wir in den vergangenen Jahren regelmäßig neue Rekorde im kommerziellen Bereich erzielen. Zum Wachstum gehören aber auch zwingend Kontinuität, gute Kommunikation und ein intensives Stakeholder-Management.
SPONSORs: Wie wollen Sie sich im harten Wettbewerb um die Gunst der Sponsoren gerade gegen direkte Nachbarn wie Borussia Dortmund und Schalke 04 durchsetzen?
Kaenzig: Wir haben bereits vor unserem Aufstieg und dem Abstieg von Schalke 04 wahrgenommen, dass die beiden genannten Clubs für das eine oder andere Unternehmen möglicherweise zu groß geworden sind. Ab einer gewissen Größe kann man einfach nicht mehr jedem Partner die gleiche Aufmerksamkeit und Detailtreue schenken, das ist nachvollziehbar. Der eine oder andere sagt dann vielleicht: Für das gleiche Geld kann ich beim VfL Bochum mehr Wirkung erzielen.
SPONSORs:
Die Investorensuche läuft bereits seit über zwei Jahren. Woran ist ein Einstieg bisher gescheitert?
Kaenzig: Wir haben in den vergangenen beiden Jahren mit allen Investoren gesprochen, die später in den europäischen Profifußball eingestiegen sind. Für einen erfolgreichen Abschluss müssen zwei Bedingungen erfüllt sein: Zum einen muss natürlich die Bewertung stimmen.
SPONSORs: Die war bisher zu niedrig?
Kaenzig: Wir sehen aktuell Verkaufspreise in Italien, Frankreich, der zweiten Liga in England, Belgien oder Dänemark, die wenig mit den Bewertungen in Deutschland zu tun haben. Ich halte die hohen Bewertungen hierzulande aber für gerechtfertigt: Wir haben die finanziell solideste Liga, den stärksten Wirtschaftsmarkt und ein berechenbares Geschäftsmodell. Im Moment sind die geforderten Summen aber zu unattraktiv für potenzielle Investoren.
SPONSORs: Welche Bewertung rufen Sie für den VfL Bochum auf und wie viel Prozent wollen Sie an einen Investor abgeben?
Kaenzig: Zu den konkreten Zahlen äußern wir uns nicht öffentlich. Der Markt kennt unsere Bewertung und sie liegt ein Vielfaches über den Summen, die aktuell im Ausland aufgerufen werden.
SPONSORs: Welche Bedingung knüpfen Sie – abseits des Geldes – noch an einen Einstieg?
Kaenzig: Wir wollen einen strategischen Partner, der den Weg des VfL Bochum mit begleitet, unterstützt und verinnerlicht. Ein Investor, der unseren Club als „Mittel zum Zweck“ ansieht und sein eigenes Geschäftsmodell mitbringt, kommt für uns nicht infrage. Wir werden deshalb nicht unruhig. Ich bin fest davon überzeugt, dass der deutsche Markt früher oder später in den Fokus jener Investoren rückt, die über große finanzielle Potenz und einen extrem langen Zeithorizont verfügen. Es gibt bei uns keine feste Deadline. Es kann morgen passieren oder erst in drei Jahren. Eins steht aber fest: Wir werden unsere Anteile an den möglichst Richtigen und nicht unter Wert verkaufen.
SPONSORs: Kommt es für Sie infrage, mehrere Partner an Bord zu holen?
Kaenzig: Wir werden uns auf einen strategischen Partner konzentrieren. Das wird entweder ein erfolgreicher Geschäftsmann oder ein großes Unternehmen sein. Für uns ist keine Kompatibilität mit mehreren solcher Player denkbar. Etwas anderes wäre es, wenn sich mehrere Partner zu einem Konsortium zusammenschließen würden.
SPONSORs: Erschwert die 50+1-Regel Ihre Verhandlungen?
Kaenzig: Die Kandidaten, mit denen wir gesprochen haben, waren sich der 50+1-Regel selbstverständlich bewusst. Der deutsche Markt wird in Zukunft in den Fokus der Investoren rücken, die neben einem emotionalen Return on Invest ein Wertsteigerungspotenzial sehen. Insofern sehe ich 50+1 nicht als K.-o.-Kriterium. Es gibt bereits Investoren, die bewusst in Minderheitsbeteiligungen investieren, aktuell jedoch nur im Ausland. Dazu kommt, dass wir als VfL Bochum diese Regelung in unserer Satzung festgeschrieben haben. Selbst wenn die 50+1-Regel im deutschen Profifußball fällt, würde sie bei uns weiter gelten.
SPONSORs: Die Clubs haben sich zuletzt nach akribischer Vorarbeit der DFL gegen die Beteiligung eines Investors bei der Auslandsvermarktung entschieden. Wie haben Sie diese Entscheidung aufgenommen?
Kaenzig: Ich persönlich war überrascht. Noch im Januar 2021 wurde verlangt, dass man das Vorhaben mit aller Kraft vorantreibt. Wenige Monate später war das Thema tot. Ich glaube, was zum Meinungsumschwung geführt hat – vor allem bei den großen Clubs –, war, dass der Prozess genau in die Diskussionen um die Super League fiel. Private Equity stand in dieser Phase stark am Pranger. Bezeichnend ist, dass die La Liga jetzt, wo sich der Staub gelegt hat, zehn Prozent ihrer Anteile an CVC Capital Partners verkauft hat.
SPONSORs: Kommt der Plan also wieder auf den Tisch?
Kaenzig: Das ist eine unternehmerische Entscheidung für die Zukunft. Vielleicht kommt das Thema wieder auf die Agenda. Das Timing war einfach unglücklich. Auf Liga-Ebene halte ich Private Equity hierzulande weiter für möglich: Das Projekt der DFL war gut vorbereitet, inhaltlich top und hätte ein Erfolg werden können. Aber dies schließt im Umkehrschluss nicht aus, dass man mit eigenen Mitteln nicht auch zum gleichen Erfolg kommen kann.
SPONSORs: Herr Kaenzig, vielen Dank für das Gespräch.
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