10. Spieltag 20/21 Holstein Kiel vs. VfL Bochum 1848
Verfasst: 1. Dezember 2020, 22:53
Vermutlich kennt jeder diese Momente, die im Gedächtnis haften bleiben, weil sich in ihnen das Raum-Zeit-Gefüge zu verschieben scheint, zumeist dergestalt, dass sich der Raum verdichtet, die Zeit aber ins schier Endlose dehnt.
Ich hatte neulich so einen, als ich aufs Unvorteilhafteste von meinem Fahrrad abstieg – nämlich während der Fahrt.
Obwohl objektiv nur ein kurzer Moment verging zwischen dem ersten Rutschen des Hinterrades und meinem Einschlag auf dem Heimatplaneten, schaffte ich es währenddessen ungefähr fünfmal, meine Einschätzung der Situation komplett neu zu justieren.
Vom irritierten „WTF?“
über ein aufatmendes „Upps, grade noch mal gutgegangen!“,
dem wiederum überraschten „Oh nee, ne?“
und der Hoffnung auf Entwarnung „komm schon?!“
bis hin zum schlussendlichen „XxXxXxXxXxX!!!“.
(Fühlte sich für mich fast wie Spielfilmlänge an, endete mit Knöchel- und Kniebruch.)
Eine ähnliche Erinnerung wird jedes Mal in mir hochgespült, wenn ich ans Holstein-Stadion denke.
Dabei hatte das Spiel an irgendeinem von diesen nichtsnutzigen 30. Septembern gar nicht schlecht begonnen.
Aber dann kommt dieser Rückpass von Danilo, die merkwürdige Bewegung von Riemann und der Ball, der plötzlich im Netz liegt.
Am anderen Ende des Spielfeldes.
Die Augen melden das ans Gehirn.
Und das Gehirn beginnt fieberhaft, Erklärungen dafür zu suchen, warum die Meldung der Augen falsch sein muss.
Ich erinnere mich erschütternd gut der Diskussionen, die in diesem Moment zwischen meinem Über-, Unter-, Neben-, Seiten-, Vorder- und Hinter-Ich entbrannten:
„War das Abseits?“
„Beim Rückpass?“
„Verbotener Rückpass vielleicht?“
„Ich kannte mal einen Rückpass, den hätte man echt verbieten sollen!“
„Nee, muss Faul gewesen sein.“
„Aber da war doch gar kein Gegenspieler?!“
„Spucken ist auch faul, und da muss man gar nicht da sein.“
„Spielen die Kieler mit Lamas?“
„Kampf-Lamas! Damit ist doch auch der Dings damals über die Alpaken gezogen.“
„In Schleswig-Holstein gibt’s nur den Bungsberg. Und der hat gerade mal paar Meter fuffzich, maximal!“
„Darf man nicht unterschätzen, darf man echt nicht unterschätzen!“
„Aber aus irgendeinem Grund muss er doch abgepfiffen haben?!“
„Hat er abgepfiffen?“
„Sonst macht der Riemann das doch nicht!“
„Vielleicht war der Ball nicht regelkonform, der sah doch unrund aus.“
„Oder zu rund. Zu rund ist auch nicht gut, dann rollt er immer weg.
„SCHNAUZE, verdammt, können wir vielleicht mal sachlich…“
„Konnte man möglicherweise einen Büchsenwurf erkennen?“
„Genau, der könnte nämlich überall gewesen sein, sogar hier in der Kurve.“
„Und dann pfeift der Schiri den Riemann ab, weil ich mein Bier verschüttet hab?? – FUSS-BALL-MAFF-JA-DEE-EFF-BEE!“
„Moment mal…“
Dann waren die vermutlich 1-2 Zehntelsekunden vorbei, die der Schall der jubelnden Kieler am anderen Ende benötigte, um den Weg zu meinen Ohren zurückzulegen und die Aussage der Augen zu bestätigen.
Aber ganz ehrlich: ich verstehe bis heute nicht, warum das nicht abgepfiffen wurde.
In meiner Erinnerung gibt es auch noch ein Pokalspiel, bei dem ich merkwürdigerweise am anderen Ende des Platzes im Gästeblock gestanden habe. Es war kalt und wir würgten ein 2:1 zusammen, weil Holstein Kiel damals mehr so Exotik war (im Gegensatz zu jetzt, wo wir gegen ihre wirtschaftliche Macht einfach nicht mehr ankommen – das Leben ist ungerecht!) .
Tore von Wosz und Freier? Bin zu faul, das nachzuschauen.
Und es gab noch das Spiel, das wir auch fast gewonnen hätten, wenn nicht Serra – aber da hatten wir wenigstens die Genugtuung, dass die dummen Kieler es versäumt hatten, Weilandt zu verpflichten, dabei hätten sie den quasi geschenkt haben können, hihi.
Holstein selbst ist gerade oben dabei, aber mehr so als Wundertüte, die sich oft nicht mit Ruhm bekleckert. Und wenn man sie fragt, wieso sie gerade 3:0 in Hannover gewonnen haben, fällt ihnen vermutlich selbst keine sinnvolle Erklärung ein.
Für das Hier und Jetzt drängen sich ohnehin immer mehr die Parallelen zur Saison 2015/16 auf.
Nach dem 5. Spieltag hatten wir auf den Terodde-HSV exakt den gleichen Rückstand, den damals Leipzig auf uns hatte.
So wie der HSV zuhause gegen uns verloren hat, haben wir damals zuhause gegen Leipzig verloren.
Läuft einfach für uns!
Und deshalb hat mir gestern das 5:0 von Pantovic gar nicht gefallen.
Nicht wegen des Spielers, sondern wegen des Ergebnisses.
Weil damals hatten wir nach dem ersten Saisonrückschlag auch einen 5:0 Sieg, der alles zum Guten zu wenden schien (gegen Fürth nebenbei). Das war dann aber auch die letzte wirkliche Freude, die wir in dieser Saison hatten.
Und wenn ich eines nicht ab kann, dann sind das Leute, die meine Positive-Parallelen-Sammlungen durcheinanderbringen!
Echt jetzt.
PS: Als ich in der Halbzeit des Düsseldorf-Spiels mal kurz Luft schnappen ging, strolchten meine Kinder (und Enkel!) verdächtig um meinen PC herum. Außerdem wurde ich gehackt. Von Hackern. Vermutlich Russen. Russischen Russen. Also wenn am Montag in der Halbzeit unter meinem Namen irgendwer Zweifel am großartigen Sieg des VfL gesät haben sollte, dann kann das praktisch jeder gewesen sein.
PPS: Tatsächlich war ich das aber wirklich selbst.
Und dazu stehe ich! Auch ohne Krücken!
(Krach! Schepper! "Meine Fresse, ist der Blödmann schon wieder umgefallen??")
Ich hatte neulich so einen, als ich aufs Unvorteilhafteste von meinem Fahrrad abstieg – nämlich während der Fahrt.
Obwohl objektiv nur ein kurzer Moment verging zwischen dem ersten Rutschen des Hinterrades und meinem Einschlag auf dem Heimatplaneten, schaffte ich es währenddessen ungefähr fünfmal, meine Einschätzung der Situation komplett neu zu justieren.
Vom irritierten „WTF?“
über ein aufatmendes „Upps, grade noch mal gutgegangen!“,
dem wiederum überraschten „Oh nee, ne?“
und der Hoffnung auf Entwarnung „komm schon?!“
bis hin zum schlussendlichen „XxXxXxXxXxX!!!“.
(Fühlte sich für mich fast wie Spielfilmlänge an, endete mit Knöchel- und Kniebruch.)
Eine ähnliche Erinnerung wird jedes Mal in mir hochgespült, wenn ich ans Holstein-Stadion denke.
Dabei hatte das Spiel an irgendeinem von diesen nichtsnutzigen 30. Septembern gar nicht schlecht begonnen.
Aber dann kommt dieser Rückpass von Danilo, die merkwürdige Bewegung von Riemann und der Ball, der plötzlich im Netz liegt.
Am anderen Ende des Spielfeldes.
Die Augen melden das ans Gehirn.
Und das Gehirn beginnt fieberhaft, Erklärungen dafür zu suchen, warum die Meldung der Augen falsch sein muss.
Ich erinnere mich erschütternd gut der Diskussionen, die in diesem Moment zwischen meinem Über-, Unter-, Neben-, Seiten-, Vorder- und Hinter-Ich entbrannten:
„War das Abseits?“
„Beim Rückpass?“
„Verbotener Rückpass vielleicht?“
„Ich kannte mal einen Rückpass, den hätte man echt verbieten sollen!“
„Nee, muss Faul gewesen sein.“
„Aber da war doch gar kein Gegenspieler?!“
„Spucken ist auch faul, und da muss man gar nicht da sein.“
„Spielen die Kieler mit Lamas?“
„Kampf-Lamas! Damit ist doch auch der Dings damals über die Alpaken gezogen.“
„In Schleswig-Holstein gibt’s nur den Bungsberg. Und der hat gerade mal paar Meter fuffzich, maximal!“
„Darf man nicht unterschätzen, darf man echt nicht unterschätzen!“
„Aber aus irgendeinem Grund muss er doch abgepfiffen haben?!“
„Hat er abgepfiffen?“
„Sonst macht der Riemann das doch nicht!“
„Vielleicht war der Ball nicht regelkonform, der sah doch unrund aus.“
„Oder zu rund. Zu rund ist auch nicht gut, dann rollt er immer weg.
„SCHNAUZE, verdammt, können wir vielleicht mal sachlich…“
„Konnte man möglicherweise einen Büchsenwurf erkennen?“
„Genau, der könnte nämlich überall gewesen sein, sogar hier in der Kurve.“
„Und dann pfeift der Schiri den Riemann ab, weil ich mein Bier verschüttet hab?? – FUSS-BALL-MAFF-JA-DEE-EFF-BEE!“
„Moment mal…“
Dann waren die vermutlich 1-2 Zehntelsekunden vorbei, die der Schall der jubelnden Kieler am anderen Ende benötigte, um den Weg zu meinen Ohren zurückzulegen und die Aussage der Augen zu bestätigen.
Aber ganz ehrlich: ich verstehe bis heute nicht, warum das nicht abgepfiffen wurde.
In meiner Erinnerung gibt es auch noch ein Pokalspiel, bei dem ich merkwürdigerweise am anderen Ende des Platzes im Gästeblock gestanden habe. Es war kalt und wir würgten ein 2:1 zusammen, weil Holstein Kiel damals mehr so Exotik war (im Gegensatz zu jetzt, wo wir gegen ihre wirtschaftliche Macht einfach nicht mehr ankommen – das Leben ist ungerecht!) .
Tore von Wosz und Freier? Bin zu faul, das nachzuschauen.
Und es gab noch das Spiel, das wir auch fast gewonnen hätten, wenn nicht Serra – aber da hatten wir wenigstens die Genugtuung, dass die dummen Kieler es versäumt hatten, Weilandt zu verpflichten, dabei hätten sie den quasi geschenkt haben können, hihi.
Holstein selbst ist gerade oben dabei, aber mehr so als Wundertüte, die sich oft nicht mit Ruhm bekleckert. Und wenn man sie fragt, wieso sie gerade 3:0 in Hannover gewonnen haben, fällt ihnen vermutlich selbst keine sinnvolle Erklärung ein.
Für das Hier und Jetzt drängen sich ohnehin immer mehr die Parallelen zur Saison 2015/16 auf.
Nach dem 5. Spieltag hatten wir auf den Terodde-HSV exakt den gleichen Rückstand, den damals Leipzig auf uns hatte.
So wie der HSV zuhause gegen uns verloren hat, haben wir damals zuhause gegen Leipzig verloren.
Läuft einfach für uns!
Und deshalb hat mir gestern das 5:0 von Pantovic gar nicht gefallen.
Nicht wegen des Spielers, sondern wegen des Ergebnisses.
Weil damals hatten wir nach dem ersten Saisonrückschlag auch einen 5:0 Sieg, der alles zum Guten zu wenden schien (gegen Fürth nebenbei). Das war dann aber auch die letzte wirkliche Freude, die wir in dieser Saison hatten.
Und wenn ich eines nicht ab kann, dann sind das Leute, die meine Positive-Parallelen-Sammlungen durcheinanderbringen!
Echt jetzt.
PS: Als ich in der Halbzeit des Düsseldorf-Spiels mal kurz Luft schnappen ging, strolchten meine Kinder (und Enkel!) verdächtig um meinen PC herum. Außerdem wurde ich gehackt. Von Hackern. Vermutlich Russen. Russischen Russen. Also wenn am Montag in der Halbzeit unter meinem Namen irgendwer Zweifel am großartigen Sieg des VfL gesät haben sollte, dann kann das praktisch jeder gewesen sein.
PPS: Tatsächlich war ich das aber wirklich selbst.
Und dazu stehe ich! Auch ohne Krücken!
(Krach! Schepper! "Meine Fresse, ist der Blödmann schon wieder umgefallen??")